Cuxhavener Nachrichten: Mit Willy-Brandt-Medaille ausgezeichnet

Früherer Kultusminister Dr. Rolf Wernstedt sieht aktuelle Gefahren für die Demokratie

Cuxhaven. Manche standen in der ersten Reihe, andere erledigten viel Arbeit hinter den Kulissen: "Und alle, die heute geehrt werden, kennen beides: Einzelkämpfertum und das gemeinsame Auftreten als SPD", sagte SPD-Ortsvereinsvorsitzender Uwe Santjer am Mittwoch im Schloss Ritzebüttel. Zuvergeben war die Willy-Brandt-Medaille für verdiente Mitglieder.

"Wir haben viele, die wir ehren können – Das ist gut!", stellte Uwe Santjer eingangs fest. Diejenigen, die sich in Partei und Gesellschaft besonders engagierten, sei großer Dank zu sagen: "Sie haben unendlich viel eingebracht, viel riskiert, sie wurden aber auch getragen von Menschen ihrer Umgebung, die sie unterstützt haben."

Offen einstehen

Oftmals bleibe völlig unbekannt, wie viel Zeit und Nerven in das politische Engagement gesteckt werden. Denn es gehöre Mut dazu, offen für seine Überzeugung einzustehen, sich zu "outen": "Da gibt es auf einmal auch Leute, die einen nicht mehr mögen."

Jahrelanges Engagement in Ortsräten, Stadtrat und Verwaltung, in der Landespolitik, Gewerkschaften und Verbänden: Das eint die "Leuchtturmfiguren" der SPD, die am Mittwoch geehrt wurden: Dr. Hans-Heinrich Eilers, Dr. Peter Fischer, Sonja und Rudolf Robbert, Marlies Lobert, Werner Demuth, Günter Rademacher, Wilfried Cremer, Dr. Jürgen Haselberger.

Als Ehrengast begleitete der ehemalige niedersächsische Kultusminister Dr. Rolf Wernstedt diesen Abend mit Gedanken zu Demokratie, Politikverdrossenheit und Werteverlust. "Noch zu Endzeiten der DDR hätten die Menschen ihr Leben für die Möglichkeit freier Wahlen gegeben, heute überwiegen die Zweifel an der Kraft der Politik."

70% der Deutschen glauben, es gehe in unserem Land nicht gerecht zu, viele Bürger können politische Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen und betrachten mit Besorgnis und Wut die Vielzahl prekärer Arbeitsverhältnisse parallel zu einer ausgeprägten Macht des Kapitals.

"Es ist nicht allen klar, dass die Demokratie ein richtig anspruchsvolles Unternehmen ist", machte Dr. Rolf Wernstedt deutlich. Die Finanzkrise machte die Politiker zu Gejagten und nicht mehr zu Bestimmenden: Vorgänge, die früher Jahre beansprucht hätten, müssten heute in kürzester Zeit durchgepeitscht werden."Demokratien sind in der Bewältigung der Entscheidung langsamer als autoritäre Systeme", gab Wernstedt mit Blick auf die derzeitigen Vorgänge in Europa zu bedenken.

"Da müssen wir aufpassen, dass nicht der Gedanke aufkommt: Könnten nicht autoritäre Systeme viel schneller reagieren? – Die EU muss in China betteln, damit sie ihren Rettungsfonds voll bekommt, das ist ja sowas von pervers, da muss man aber ganz wach sein."

Schnäppchenmentalität

Wernstedt befasste sich aber auch mit einer "Gesellschaft, in der jeder sein Schnäppchen haben will". Er forderte Anstand, Verlässlichkeit und Verantwortung für eigene Fehler und eine Abkehr von einer Clan-Gesellschaft, in der verwunderlicherweise selbst das Abschreiben Karl-Theodor zu Guttenbergs von der Bevölkerung lange als gar nicht mal so schlimm eingestuft wurde. Dabei nahm er die Kritik am eiligen Wechsel des ausgeschiedenen Altkanzlers Gerhard Schröder zum Unternehmen Gazprom nicht aus. Dass in der Berichterstattung über den Bundespräsidenten Christian Wulff die konservativen Blätter am härtesten zuschlagen, betrachtet er "überrascht".

Zu befassen habe sich die Politik auch mit dem Umgang mit Internet und sozialen Netzwerken. "Sich hinzusetzen und zu schreiben, was aus dem Bauch kommt, ist gefährlich für die Kommunikation und hat Auswirkungen auf das echte Leben." Denn was einmal da stehe, sei damit auch niedergelegt für alle Zeiten.